Jigoku

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 Betreff des Beitrags: [Kurzgeschichte] Freiheit
BeitragVerfasst: 29.05.2008, 21:38 
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Pegasus
Pegasus

Registriert: 16.04.2008, 19:56
Beiträge: 512
Wohnort: Nordhöhle
Titel: Freiheit - Mi Amore Grande
Autor: Sephiroth's Angel
Entstehung: 21.12.2004
Format: Kurzgeschichte
Genre: Alltag/Romantik
Kitsch-Faktor: 8/10
FanFic-Zuordnung: keine
Charas: namenlos


Freiheit - Mi Amore Grande


Ich sah die Flügel des Ventilators, wie sie sich endlos und ewig im Kreis drehten. Wie lange lag ich nun schon hier? Wie lange starrte ich schon an diese triste Zimmerdecke?
„Hhc..“ Ein Seufzer kam über meine Lippen als das Licht sich in den dünnen Spalten des heruntergezogenen Rollos brach und die zarten Strahlen teilweise mein Gesicht streiften. Ich hatte es also tatsächlich getan...
Langsam richtete ich mich auf und griff mir gezielt, aber kraftlos in den verspannten Nacken. Es kam mir vor, als wäre die dünne Bettdecke, die meinen ansonsten nackten Körper umhüllte, wie ein Schleier, der meine schäbigen Taten verdecken sollte. Und ich drückte diesen daher nur umso fester um mich.
Mein Blick fiel nun auf den Mann, der neben mir im Bett lag und noch immer tief und fest schlief. Ich wusste nicht viel mehr von ihm als seinen Namen. Wir kannten uns erst ein paar Tage, und doch hatte ich mich letzte Nacht in seine Arme geworfen.
Langsam sank meine zitternde Hand auf sein blondes Haupt nieder und strich vorsichtig durch sein weiches, schulterlanges Haar.
Was hatte ich nur getan?.. Immer und immer wieder stellte ich mir diese Frage als ich ihn dort so friedlich schlummern sah. Seit 6 Jahren war es das erste Mal für mich, dass ich die Nacht mit einem anderen Mann als mit ihm verbracht hatte.

- Ihm... – Wieso stand ich den Tränen so nah? Wieso suchte mich die Erinnerung auf einmal wieder heim? Wieso verursachte allein der Gedanke an ihn wieder diesen stechenden Schmerz in meiner Brust?
- Ich.. ich verstehe das nicht... – War es lediglich die Macht der Gewohnheit, die die Schuldgefühle in mir wachsen lies? War ich die Nähe eines Mannes außer der seinen nicht mehr gewohnt? War ich so auf ihn fixiert, dass ich Andere nicht mehr ertragen konnte, ohne mich wie eine Verbrecherin zu fühlen? Warum nur?
Ja, wir waren lange zusammen gewesen. 6 Jahre lang war ich ihm treu ergeben. 6 Jahre habe ich nie einen anderen Mann auch nur eines Blickes gewürdigt. Ich zog sogar seinen Sohn groß.
Mit der Zeit dachte ich, dass alles hätte uns zusammengeschweißt und wir wären endlich ein richtiges Paar geworden. Doch ich hatte mich geirrt. Zumindest dachte ich so als dieser Fremde vor ein paar Tagen in mein Leben trat. Jener Mann, mit dem ich nun auch die letzte Nacht verbracht hatte.
Er hatte mich einfach bei der Hand genommen, so als wären wir uns nie fremd gewesen. Und er zeigte mir das, was ich nie wirklich besessen hatte.

Freiheit...

Er zeigte mir, dass es noch eine Welt „außerhalb“ gab. Eine andere Welt, in der ich nicht an seiner Seite sein musste, um lächeln zu können. Es war wie ein Traum, in welchen mich der Fremde entführt hatte. Ein Traum, auf den ein böses Erwachen folgen sollte. Denn durch die Zeit, die ich mit ihm verbracht hatte, erkannte ich zum ersten Mal in meinem Leben, dass der Mann, der bis dahin das Ein und Alles für mich war, mich nicht halb so sehr brauchte, wie ich ihn.
Wie lange ich auch fort war, er hatte nie nach mir gesucht. Und kam ich dann spät in der Nacht nach Hause, fragte er mich nie, wo ich gewesen sei. Nicht ein einziges Mal angeschrieen hatte er mich. Er saß stets nur da auf unserem Bett und las in seinen gesammelten Werken, die er damals, als wir uns kennen lernten, geschrieben hatte. Keinen Blick warf er mir zu, keine Wut, keine Sorge.. rein gar nichts.
Wie oft sind wir Abends schlafen gegangen uns er sagte stets nur „Schlaf gut..“ anstatt „Ich liebe dich..“? Ich habe aufgehört, diese Nächte zu zählen. Denn jede von ihnen stach in mein Herz wie die heiße Klinge eines bohrenden Messers.

Der Fremde hatte mir gezeigt, wie es ist, nicht nur zu lieben, sondern auch geliebt zu werden. Dieses Gefühl hatte er mir nie gegeben.
Er brauchte mich nicht. Er.. liebte mich nicht.
Ich glaubte damals, mit der Zeit würde er mich genauso lieben lernen wie ich ihn. Doch in diesen letzten, gemeinsamen Jahren hatte ich nur meine Augen vor der Wahrheit verschlossen. Es ist nie dazu gekommen, dass er Gefühle für mich entwickelte. Ich war lediglich eine Selbstverständlichkeit für ihn. Eine damals noch junge, naive Frau, die ihm wie ein Hund treu ergeben war und ihm folgte, was er auch tat.

War diese einseitige Liebe wirklich das, was mich glücklich machen konnte?

Wohl nicht. Denn warum sonst hätte ich mich zu dem Fremden, der mir eine andere Welt zeigte, so hingezogen gefühlt? Und dennoch....

Ich versuchte, so leise wie möglich aufzustehen, um ihn dabei nicht zu wecken. Meine Füße glitten zaghaft Schritt für Schritt über den kalten Holzboden und ich sammelte meine Kleider ein, die er mir gestern Nacht so leidenschaftlich vom Leib gerissen hatte und nun verteilt im ganzen Zimmer auf dem Boden lagen. Ich zog mich wieder an und richtete mir mit der Hand das zerwühlte Haar ein wenig. Doch als ich die Tasche nahm und meine Hand an den Türgriff sank, um sie zu öffnen, drang eine tiefe und zugleich verschlafen klingende Stimme an mein Ohr.
„Das willst du nicht wirklich tun, oder?“
Es war die Stimme des Fremden, die ich hörte. Entgegen meiner Bemühungen hatte ich ihn wohl doch geweckt.
„Du weißt, er liebt dich nicht. Warum willst du also zu ihm zurückgehen? Er macht dich doch nur unglücklich. Siehst du das denn nicht?“
Ich konnte ihm nicht darauf antworten. Ich konnte mich ja nicht einmal zu ihm umdrehen und ihm in die Augen sehen. Stattdessen sank mein Kopf und ich sah wie gebannt auf den Türgriff.
„Bitte hör auf mich. Deine Liebe.. deine Wünsche und Träume.. das alles ist ihm doch egal. Aber mir nicht.“
„Hör auf!!..“, diese Worte hätte ich ihm am liebsten ins Gesicht geschrieen. Doch dazu fehlte mir der Mut. Ich brachte keinen Ton über die Lippen, denn die Wahrheit war, dass ich genau wusste, dass jedes Wort stimmte, was er sagte.
„Wirf deine Freiheit nicht einfach so weg. Mach dich nicht selbst kaputt. Das ist dieser Typ einfach nicht wert.“

„Meine.. Freiheit?...“

Freiheit... was bedeutete dieses Wort eigentlich für mich?
„Du bist ihm wirklich rein gar nichts schuldig. Warum auch? Er hat dir absolut nichts gegeben. Du brauchst also kein schlechtes Gewissen zu haben.“
Ich hätte mich jetzt nur einmal umdrehen müssen, ich hätte in seine blauen Augen sehen müssen, und hätte genau gewusst, dass ich ihn nie wieder hätte gehen lassen können. Aber es kam anders. Etwas in mir hinderte mich daran, mich umzudrehen und mich wieder von ihm umarmen zu lassen. Was auch immer es war, ich wusste nicht, ob ich es später verfluchen oder ihm danken würde. Und wie von selbst, kamen nun doch Worte über meine Lippen.
„Du... irrst dich...“
„Was redest du da?“ Ich vernahm Zweifel in seiner ansonsten so selbstsicheren Stimme, auch wenn er versuchte, sich diese nicht anmerken zu lassen.
„Du bist doch unglücklich, nicht wahr? Das kann ich spüren.“
„Ja.. das bin ich wohl.“
„Warum willst du dann zu ihm zurück?!“ Ich erlebte zum ersten Mal, dass er laut wurde. War es, weil er bereits jetzt schon wusste, dass meine Entscheidung, die ich gleich treffen würde, falsch war?
„Weil.. weil er der Mann ist, den ich in meinem Träumen sehe. Und du bist es leider nicht..“
„Nein....“ Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, wie er sich jetzt gerade fühlte, sondern hörte es allein in seiner klagenden, wehmütigen Stimme.

„Du hast mir gezeigt, wie es ist, geliebt zu werden. Du hast mir eine Welt gezeigt, in der ich frei bin. Und es war wunderschön... Dafür, dass du mir das gezeigt hast, danke ich dir von ganzem Herzen. Und in einem Punkt muss ich dir sogar Recht geben. Ich bin ihm wirklich rein gar nichts schuldig. Aber ich.. ich habe mein Urteil selbst gewählt. Und es ist nun mal.. lebenslänglich..“
Langsam wurde mein Griff stärker und drückte die Klinke jener Tür herunter, an der ich bis zu diesem Moment auf so unsicheren Beinen gestanden hatte.

„Warte..“, sprach er ganz leise und ich hielt einen Moment inne.
„Sag ihm etwas von mir, ja? Sag ihm, dass ich liebe. Das ist der einzige Grund, wieso ich dich an ihn hergebe.“
„Ich liebe dich auch...“, das war es, was ich ihm antworten wollte. Doch ich wusste genau, hätte ich es erst einmal ausgesprochen, würde er mich niemals wieder gehen lassen.
Ich drehte mich nun nicht mehr um. Stattdessen ging ich durch die Tür und schloss mit ihr das wohl glücklichste Kapitel im Buche meines Lebens.

Als ich die Treppe hinab ging, spürte ich genau, ich hatte so eben die Freiheit, die er mit bot, mit Füßen getreten und war drauf und dran, mein Urteil, das ich mir selbst auferlegt hatte, wieder auf mich zu nehmen.
Ich stieg in mein Auto, steckte den Schlüssel ins Zündloch und fuhr los. Wahrscheinlich bin ich noch nie zuvor so langsam gefahren wie an diesem Morgen. War es, weil ich insgeheim hoffte, ich würde bei dieser Geschwindigkeit nie zuhause ankommen?
Dennoch war es schließlich so weit. Ich war extra noch ein paar Mal um den Block gefahren, doch es brachte ja alles nichts. Irgendwann musste ich den Wagen anhalten und parkte ihn auf dem kleinen Platz vor unserem Haus. Dann zerrte ich mich zaghaft selbst aus dem Auto und ging den schmalen Weg entlang, der direkt zum Vordereingang führte. Alles war wie immer als ich die Tür aufschloss und unser Haus betrat. Überall war es ruhig. Und die Schultasche unseres Sohnes war auch nicht mehr da.

„...“ Ohne ein Wort zu sagen, ging ich langsam durch den Flur, direkt ins Schlafzimmer. Und auch jetzt war alles noch wie immer. Er saß da auf unserem Bett, in seinen guten Hosen, dem halboffenen Hemd und der ungebundenen Krawatte und arbeitete auf seinem Notebook noch am letzten Schliff der Präsentation, die er heute im Büro halten sollte.
Als ich den Raum betrat, sah er mich nicht einmal an. Es war, als wäre ich gar nicht da. Wie immer...
Ich lies meine Tasche fallen und sank auf meiner Seite des Bettes nieder. Da saß ich also, ihm abgewandt wie schon so oft zuvor und benötigte meine ganze Kraft dazu, nicht weinen zu müssen.

„Hast du.. dem Kleinen für die Schule.. ein Brot geschmiert?“
„Natürlich.“, entgegnete er mir knapp und steril, ohne dass ich auch nur eine einzige Emotion in seiner Stimme wahrnehmen konnte.
„Dann ist’s gut..“, kam es zaghaft über meine Lippen, als ich nun doch immer mehr den Tränen nahe stand.
„Ich geh duschen...“ Das war immer meine Entschuldigung, wenn ich kurz vor einem Tränenausbruch stand und er ihn nicht sehen sollte. Doch als ich aufstand und mir ein Handtuch aus dem Schrank holte, hörte ich das leise Klackern seiner Lesebrille, wie er sie auf dem Nachttisch ablegte.
„Weiß du..“
„Hn?...“ Sah er mich in diesem Moment etwa wirklich an? Das konnte ich nicht glauben.
„Weißt du, was Freiheit bedeutet?“

„Frei..heit?...“

Mein Atem stockte. Wie kam er ausgerechnet darauf? Nein, völlig unmöglich. Er konnte nicht wissen, dass das die Frage war, die mich schon seit Jahren quälte und auf die ich bis heute noch keine Antwort gefunden hatte. Unmöglich.. ganz und gar unmöglich.
Und doch drehte ich mich zu ihm um. Was war mit ihm? Wieso strahlten seine schönen, grünen Augen heute so viel heller als sonst? Hatten meine Schuldgefühle mir jetzt schon den Verstand vernebelt? Nein, das war es nicht. Es war etwas anderes. Es lag an seinem Gesicht. Ich hatte ihn noch nie.. so lächeln gesehen.
Dieses Bild; sein Gesicht.. sein Lächeln.. seine Wärme.. Es brannte sich auf einmal wie ein flammender Pfeil in mein Herz.
Was war die Antwort auf diese ewige Frage? Ich wollte sie hören.
Und sei es für ihn das Selbstverständlichste der Welt, kam sie nun ganz besonnen von seinen schönen Lippen.

„Freiheit bedeutet, jemanden zu haben, zu dem man zurückkehren kann...“

Und als er das sagte, wusste ich, dass ich in den letzten 6 Jahren so frei gewesen war, wie niemals zuvor.


-Ende-


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 Betreff des Beitrags:
Verfasst: 29.05.2008, 21:38 


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 Betreff des Beitrags: Re: [Kurzgeschichte] Freiheit
BeitragVerfasst: 09.06.2008, 17:49 
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Regenbogenpony
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;*-*; ;herz; Sephi diese Geschichte ist das bese was ich seit längerem gelesen habe. Auch wenns für dich wie eine Beldidigung klingen mag aber für mich ist das feinster Appetitsstoff aus nen Bollywoodfilm. So schön mti viel Liebe udn herzschmerz mit einem guten versöhnlichen Ende. Ich dachte ja zuerst was fürn Arsch von der frau, ich hätte verstanden wenn sie ihn für den typen verlassen hätte aber das Ende das er plötzlich so kommt uiuiuiui war richtig überraschend. SPITZE ;no1;

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 Betreff des Beitrags: Re: [Kurzgeschichte] Freiheit
BeitragVerfasst: 09.06.2008, 21:36 
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Pegasus
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Nee, wieso denn Beleidigung? Es gibt doch auch sehr gute Bollywoodfilme. ^^
Freut mich, dass du's gelesen hast. Danköööö. ;*-*;

Sonst schreib ich ja eher Hirnlos-Comedy, aber bissl Kitsch musste auch mal sein. ;freu;


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 Betreff des Beitrags: Re: [Kurzgeschichte] Freiheit
BeitragVerfasst: 09.06.2008, 21:39 
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Regenbogenpony
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^^ ich fand es sehr gut, haste noch mehr solche Herz-Schmerz Geschichten?! ;freu;

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 Betreff des Beitrags: Re: [Kurzgeschichte] Freiheit
BeitragVerfasst: 10.06.2008, 13:59 
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Pegasus
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Nein, tut mir leid, das war die Einzige. ;bad;


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